Schnelligkeitstraining für Schiedsrichter

Das Training der Schnelligkeit ist für Athleten bestimmter Sportarten von großer Bedeutung. Und mit Athleten meine ich ebenfalls Schiedsrichter. Spielleiter aus Sportarten wie Fußball, Handball, Basketball oder auch Hockey sind hohen athletischen Anforderungen ausgesetzt. Zu diesen Anforderungen zählt ebenfalls die Schnelligkeit als eine der grundlegenden konditionellen Fähigkeiten. Speziell bei Kontersituationen ist die Schnelligkeit des Schiedsrichters entscheidend. In diesem Blog erfährst du wie du deine Schnelligkeit für dein Schiedsrichterspiel verbessern und dich ebenfalls optimal auf deine anstehenden Prüfungen vorbereiten kannst. Aufgrund der Eingrenzung und Relevanz beschränke ich mich in diesem Blog lediglich auf die Schnelligkeit im Zusammenhang mit Antritten und Sprints. Dennoch sei erwähnt, dass Schnelligkeit auch auf kognitiver Ebene von Bedeutung ist. Hierzu zählen beispielsweise die Handlungs-, Antizipations- oder auch Reaktionsschnelligkeit, die alle in bestimmten Spiel- und Trainingssituation definiert und somit unterschiedlich trainiert werden sollten.

Dieser Blog richtet sich an Schiedsrichter aller Leistungsklassen. Speziell das Krafttraining benötigt ein entsprechendes Setting und eine adäquate Begleitung durch einen spezialisierten Sportwissenschaftler. Häufig ist dies in unteren Ligen nicht gewährleistet, sodass das Krafttraining in so einem Fall für euer Sprinttraining zu vernachlässigen ist. 

Die Genetik – Physiologie und Anatomie unterschiedlicher Muskelfasertypen

Die häufig diskutierten Gene und ihr möglicher Einfluss auf die Antritts- und Sprintschnelligkeit sollen an dieser Stelle zunächst erläutert werden. Dies bezieht sich auf die Verteilung der unterschiedlichen Muskelfasertypen, die sich in ihrem enzymatischen Aufbau sowie ihrer Kontraktionseigenschaften differenzieren lassen. Es wird primär zwischen den langsam zuckenden (Slow-Twitch) Typ-1-Fasern und den schnell zuckenden (Fast-Twitch) Typ-2-Fasern unterschieden, die wiederum noch in die Typ-2x-Fasern und Typ-2a-Fasern unterteilt werden.

Typ-1-Fasern/ST-Fasern

Dieser Typ weist eine hohe aerobe Kapazität auf, d.h. der Anteil an Enzymen und Zellorganellen, die am aeroben (mit Sauerstoff) Energiestoffwechsel beteiligt sind, ist entsprechend hoch. Ein Athlet mit einem hohen Anteil ST-Fasern besitzt somit gute Voraussetzungen für langzeitausdauernde Belastungen. Die Rekrutierung möglichst vieler motorischer Einheiten und die Frequenz der Nervenimpulse ist  im Vergleich zu den Typ-2-Fasern jedoch deutlich geringer, weshalb dieser Muskelfasertyp im Zusammenhang mit hoher Kraftentwicklung keine wesentliche Einflussgröße darstellt.

Typ-2-Fasern/FT-Fasern

Das anaerobe Enzymsystem ist bei den Typ-2-Fasern deutlich höher, sodass die Energieausbeute über den anaeroben Energiestoffwechsel größer ist als bei den ST-Fasern. Die motorischen Einheiten sind größer und die Rekrutierung und Frequenz ebenfalls höher. Die Typ-2x-Fasern sind somit wichtig bei der Entwicklung schneller Antritte und Sprints. Der Typ-2a wird in der Anatomie durch seinen Aufbau und der damit verbundenen physiologischen Wirkweise als Mischform von Typ-1 und Typ-2x eingeordnet.

Inwieweit die Fasertypen durch entsprechendes Training umgewandelt werden können, ist wissenschaftlich nicht geklärt und die Studienlage zeigt dahingehend unterschiedliche Ergebnisse. Sicher ist jedoch, dass die genetische Verteilung der Muskelfasertypen einen Einfluss auf das Schnelligkeitspotenzial hat. Dieses Potenzial sollte durch entsprechendes Training abgerufen, gefördert und optimiert werden.

Das Training

Die Priorität im Verbessern der Antritts- und Schnelligkeit auf entsprechend vorher festgelegte Distanzen sollte das spezifische Training haben. Ist somit das Ziel, die Sprintgeschwindigkeit auf 40 m zu verbessern, sollte exakt das trainiert werden. Mit einfachen Worten: Willst du schneller laufen, lauf so schnell du kannst. Daneben gibt es jedoch noch weitere Trainingsansätze mit der das Antritts- und Schnelligkeitstraining unterstützt werden kann.

Antritts- und Sprinttechnik

Eine der wichtigsten Aspekte bei der Antritts- und Sprinttechnik ist die Bewegungsökonomie. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass das Verhältnis aus erbrachter Leistung und aufgewendetem biomechanischen sowie physiologischen Energieaufwand möglichst günstig ist. Eine Bewegung ist z.B. dann unökonomisch, wenn durch fehlende Koordination und Stabilität verstärkt Kompensationsmuster entstehen, die wertvolle Energie kosten ohne dadurch einen erhöhten Ertrag (mehr Leistung) zu generieren. Somit sind lauftechnische Aspekte trainingsrelevante Inhalte von Antritten und Sprints. Die Technik der Sprintstartphase findet ihr als Video auf unserer Seite von Reffitcom. Neben den hier angesprochenen Punkten wie Dreifachstreckung (Triple-Extension), Kniehub, Armbewegung und Rumpfspannung ist die Bodenkontaktzeit ebenfalls ein wichtiger Aspekt. Versucht euch im Training darauf zu konzentrieren möglichst kurze Bodenkontaktzeiten umzusetzen bei maximalem Abdruck in der Streckphase. Zudem gilt: je mehr Kniehub erzeugt wird, desto größer das Kraftpotenzial des Abdrucks in der darauf folgenden Phase (Dreifachstreckung).

Das richtige Timing und ein adäquates Warm Up

Das Antritts- und Sprinttraining beansprucht das zentrale Nervensystem. Somit ist das Timing einer solchen Trainingseinheit für den Trainingsfortschritt mit entscheidend. Es ist wichtig nicht zentralnervös und energetisch ermüdet in das Training zu gehen. Am Vortag ein intensives Krafttraining oder Intervallläufe durchzuführen kann sich somit negativ auf die Sprintleistung auswirken. Achtet zudem auf ein sprintgerechtes Warm Up. Auch hier ist auf eine entsprechende Progression zu achten. Eine Möglichkeit ist:

  1. Lockeres Einlaufen (5 min)
  2. Vorbereitende Mobilisierungs- und Stabilitätsübungen
  3. Lauf-ABC
  4. Aktivierungen

Antritts- und sprintrelevante Muskelgruppen müssen mit einbezogen werden. Übungen zu den Bereichen findet ihr ebenfalls auf unserer Seite von Refitcom.de

Unterschied zwischen Schnelligkeitsausdauer und Schnelligkeitstraining

Die Herausforderung im Training für den Schiedsrichter ist die intervallartige Belastungscharakteristik der jeweiligen Sportart (Fußball, Basketball, Handball, Hockey). Durch die situative und spontane Entwicklung von Spielsituationen kann es dazu kommen, dass der Schiedsrichter in manchen Zeitabschnitten des Spiels mehr Sprints absolviert als in anderen. Die Belastung des Wettkampfes ist somit nicht planbar. Zum einen ist es wichtig die „reine“ Antritts- und Sprintgeschwindigkeit zu verbessern oder zu erhalten und zum anderen die Schnelligkeitsausdauer zu trainieren. In diesem Zusammenhang beschreibt die Schnelligkeitsausdauer, das intervallartige Wiederholen von Antritten sowie Sprints und einem möglichst niedrigen Abfall der Leistung (Geschwindigkeit). Die Erholungsfähigkeit zwischen den Sprints ist somit ein wesentlicher Einflussfaktor. Bereitet ihr euch somit auf eine Schiedsrichterprüfung vor, in denen der Test so aufgebaut ist, dass mehrere Sprints innerhalb kurzer Zeit absolviert werden müssen, ist es wichtig auch diese Form zu trainieren. Als Beispiel soll im Folgenden der DFB Sprint-Test „Fast Runs“ dienen. Hier ist die Anforderung, 6 x 40 m zu sprinten. Zwischen den Sprints sind maximal 60 Sekunden Erholungszeit erlaubt. Für die unterschiedlichen Leistungsklassen bestehen für die 40 m unterschiedliche Zeiten, die erreicht werden müssen. Ist das Ziel des Trainings, die Zeit auf 40 m zu verbessern, sollten längere Erholungszeiten von mindestens 3 min eingehalten werden. Sofern ihr im Training eure geforderte Zeit auf 40 m noch nicht erreicht, ist dieses Training einem Schnelligkeitsausdauertraining vorzuziehen. Sobald ihr die vorgegebenen Zeiten schafft, könnt ihr den jeweiligen Test als Schnelligkeitsausdauerübung nutzen, um euch final auf die Prüfung vorzubereiten.

Krafttraining

Das Krafttraining findet im Leistungssport häufig Anwendung zur Verbesserung und Erhalt der Antrittsschnelligkeit sowie des Sprints. Zudem ist es ein wichtiger Baustein in der Prävention von Verletzungen. Neben der Übungsauswahl und Einbezug sprintrelevanter Muskelgruppen ist die Geschwindigkeit wichtig. Eine häufige Fehlerquelle ist jedoch, dass nicht zwischen Bewegungs- und Kontraktionsgeschwindigkeit differenziert wird. Diese Differenzierung ist jedoch entscheidend für den möglichen Einfluss auf die Antritts- und Sprintgeschwindigkeit. Der Unterschied von Bewegungs- und Kontraktionsgeschwindigkeit lässt sich sehr gut am Beispiel des Schnellkraft- und Maximalkrafttrainings verdeutlichen. Während beim Schnellkrafttraining die Zusatzlast moderat gewählt und die Bewegungsgeschwindigkeit von außen als deutlich schneller eingeordnet wird, so ist beim Maximalkrafttraining die Kontraktionsgeschwindigkeit deutlich höher, sofern eine bewusste, explosive Anspannung durch den Athleten erfolgt. In einer Kraft-Zeit-Kurve ließe sich dies durch einen deutlich steileren und schnelleren Kraftanstieg erkennen. Da das Maximalkrafttraining jedoch eine gewisse Trainingsprogression erfordert, sollte nicht einfach drauf los trainiert werden. Zunächst ist das Erlernen der Übungsausführung mit niedrigen Zusatzlasten wichtig. Die Kraftentwicklung erfolgt mittels submaximalen zu maximalen Lasten. Zu bedenken ist, dass Gewebsstrukturen wie Sehnen, Knochen und Knorpel im Vergleich zur Muskulatur andere Regenerationsgeschwindigkeiten haben, was u.a. mit der Durchblutung zusammenhängt. In jedem Fall erfordert das Krafttraining eine kontrollierte Begleitung durch eine Fachkraft/einen spezialisierten Sportwissenschaftler.

Hypertrophietraining – ja oder nein?

Muskelmasse macht langsam. Eine Aussage, die man recht häufig hört. Es ist jedoch wichtig anzumerken, dass das Hypertrophietraining im Rahmen der Sprintverbesserung ebenfalls ein Baustein sein kann. Eine Zunahme des Muskelvolumens führt zu einem gesteigerten Maximalkraftpotenzial. Wie bereits erwähnt kann die Maximalkraft, die Antritts- und Sprintgeschwindigkeit positiv beeinflussen. Entscheidend ist lediglich, dass das aufgebaute Muskelvolumen aktiviert wird. Somit ist nach Abschluss des entsprechenden Trainingszyklus wichtig, einen Zyklus anzuschließen mit hohen Lasten sowie hohen Kontraktionsgeschwindigkeiten (Maximalkrafttraining). Das klassische Bodybuilding ist in diesem Zusammenhang nicht gemeint, sondern der funktionelle Mehrwert, den ein temporäres Hypertrophietraining für den Athleten bzw. Schiedsrichter bieten kann. Die Sinnhaftigkeit und Dauer eines solchen Trainings muss individuell überprüft werden.

Fazit

Jedes Antritts- und Sprinttraining muss individuell am jeweiligen Athleten aufgebaut werden. Zu berücksichtigen hierbei sind Alter, Geschlecht, aktuelles athletisches Leistungsniveau des Schiedsrichters, die Liga und Sportart in der gepfiffen wird und der damit zusammenhängenden athletischen Anforderungen an den Schiedsrichter. Für den Amateurschiedsrichter, dem gegeben falls professionelle Strukturen (Athletiktrainer, Trainingsfläche und Equipment) fehlen, ist das Krafttraining im Zusammenhang mit Sprintleistung zu vernachlässigen. Im Amateurbereich sollte sich auf Antritte und Sprints als Übungsformen fokussiert werden. Die Bewegungsausführung und Technik sollte hierbei ebenfalls gescreent und bei Defiziten entsprechend optimiert werden. Auf eine ausreichende Regeneration als Voraussetzung für ein Sprinttraining ist zwingend zu achten. 1-2 Tage vorher intensive Intervallläufe oder intensives Krafttraining ist nicht empfehlenswert. Ein sprintgerechtes Warm Up ist wichtig für das Abrufen des vollen Leistungspotenzials und der Verletzungsprävention. Sofern die geforderten Sprintgeschwindigkeiten bei den jeweiligen Leistungstests noch nicht erreicht werden, ist es wichtig ein „reines“ Schnelligkeitstraining durchzuführen mit ausreichend Pause zwischen zwei Sprints bzw. Antritten (3-5 min Pause). Werden die vorgegebenen Zeiten bereits erreicht, so sollte die Schnelligkeitsausdauer (kurze Erholungszeit durch kurze Pausendauern) trainiert werden. 

Abschließend noch der Hinweis, dass sich Antritte und Sprints im Kindes- und Jugendalter sehr gut trainieren lassen. Im erwachsenen Alter ist der Grundstein meist schon gelegt, sodass nur noch wenig Fortschritte in der Entwicklung „reiner“ Schnelligkeit besteht. Zudem hängt im erwachsenen Alter das Entwicklungspotenzial stark vom Leistungsniveau ab. Je austrainierter, desto eher geht es um den Erhalt von Schnelligkeit. Je untrainierter, desto mehr Verbesserung der Schnelligkeit kann noch erreicht werden.